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Großartiges Konzertereignis mit Raphaela Gromes & Julian Riem

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von Christian Kaufmann

Zum zweiten Mal gastierte das Duo Raphaela Gromes (Violoncello) und Julian Riem (Klavier) am vergangenen Freitag im Saal der Musikschule Wertingen. „Harmonia Italiana“ war das diesjährige Programm überschrieben, eine vielfältige Zusammenstellung von in erster Linie italienischer Musik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

 

Das Konzert wurde eröffnet mit der viersätzigen Sonate in fis-Moll von Giuseppe Martucci (1856-1909). Der Neapolitanische Pianist, Dirigent und Hochschuldirektor hatte sich zum Ziel gesetzt, nicht die Formen, sondern den Geist der das italienische Musikleben dominierenden Oper des Verismo in Orchester- und Kammermusik voll Energie und Leidenschaft zu übertragen. Das Werk gab Gromes Gelegenheit, verschiedenste Klangqualitäten ihres nahezu aus dem Geburtsjahr Martuccis stammenden Instruments auszuspielen: süß schmeichelnd, in sich gekehrt, frei fließend, hell strahlend, düster drohend und geheimnisvoll raunend dialogisierte und harmonierte das Cello mit dem Klavier. Riem erwies sich in seinen Akkorden und Akkordbrechungskaskaden als „Begleiter“ im besten Wortsinn, der die Empfindungen einfühlsam teilte. Insbesondere galt dies für das elegische Trio des zweiten Satzes und das meditative Intermezzo als drittem Satz.

Romanze und Humoreske

Der Kammermusik Martuccis gegenübergestellt wurden zwei kürzere Werke des vielseitig interessierten Turiner Musikpädagogen Leone Sinigaglia (1868-1944). Er hatte einen anderen Weg zu einer eigenständigen italienischen Instrumentalmusik beschritten, indem er die Musiksprache der heimatlichen Volksmusik und die musikalische Gedankenführung der von Wien ausgehenden Kammermusiktradition von Beethoven bis zu Brahms und dem – Sinigaglia in jener Grundhaltung nahestehenden – Dvořák in Wechselwirkung treten ließ. Das Duo trug eine ergreifende Romanze und eine von atemlosen Ausbrüchen durchsetzte, das Spiel mit den Stilebenen nicht zuletzt durch Anklänge von „O sole mio“ verdeutlichende Humoreske vor.

Impressionistisches Farbenspiel

Erwies sich der erste Teil als eine Begegnung mit Land, Kultur und Musikschaffen, die den Abend zu einem „Reiseerlebnis“ erster Qualität werden ließ, so eröffnete der zweite Teil eine Begegnung mit Menschen, Charakteren und Schicksalen, die den Abend unvergesslich werden ließ.

Als erstes Werk erklang die Sonate von Claude Debussy (1862-1918), der vier prägende Studienjahre in der römischen Villa Medici verbracht, dann aber einen doch so eigenen Ansatz impressionistischen Farbenspiels ausgeprägt hatte, den er in seiner späten Kammermusik, zu der die Sonate zählt, unter dem Einfluss der Barockmusik wandelte.

Gerade in den mal scheinbar abgerissenen, mal sich aufbäumenden Melodiefloskeln fand die Cellistin zu einer Weichheit des Klangs wie in keinem anderen Werk. Auch nach langen Monologen in inniger Verbundenheit mit dem Pianisten gelang es ihr, Erinnerungen und Ahnungen zu erwecken.

Zum Höhepunkt des Abends wurde die sommerliche Serenade des deutsch-italienischen, mit den Worten seines Schülers Kurt Weill formuliert, „geistigen Europäers“ Ferrucio Busoni (1866-1924). Beide Musiker begeisterten hier, indem sie besondere Möglichkeiten ihres Instruments zur Vollkommenheit führten, Riem durch gläsern perlende Parallelführungen und Akkorde in weiter Lage, Gromes durch kernig-spritziges Spiccato, über das sie immer weitere Phrasen aufspannte.

Die Eindrücke, die die Sonate und die Serenade vermittelt hatten, wurden vertieft durch das kurze „Animato con passione“ der Neapolitanischen Organistin und Pianistin Matilde Capuis (* 1913) – man empfand, dass die Essenz eines langen Lebens ausgesprochen wird.

Fulminanter Abschluss

Den fulminanten Abschluss des Abends bildete die Opernparaphrase „Figaro“ des aus Florenz stammenden, in Kalifornien als Filmkomponisten erfolgreichen Mario Castelnuovo-Tedesco (1895-1968). Die Figur des Barbiers Figaro, die in den Opern von Rossini und Mozart vor allem als geschäftig, gewitzt und stolz gezeichnet wird, zeigte sich in der viele stilistische Register bis zu Tango und Jazz ziehenden Komposition sowie der Interpretation von Gromes und Riem von ihren nachdenklichen, berührbaren und stets ein wenig skurrilen Seiten. So wurde aus dem Typus ein nicht unsympathisches Individuum, das nach der Zugabe, der Tarantella von Alfredo Casella (1883-1943), den Vorhang der Bühne zuzuziehen und die Zuhörer nach so ergreifenden und beschenkenden eineinhalb Stunden zu verabschieden schien.