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Klarinettist mit Format

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Prof. Norbert Kaiser über seinen Studenten Andreas Lipp aus Wertingen in der Ausgabe Spektrum #21 – Magazin der staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart – Sommersemster 2013. www.mh-Stuttgart.de.:

 

Eine enorme künstlerisch-musikalische Präsenz, gepaart mit großen technischen und klanglichen Möglichkeiten ist für den 1. Preis kaum erwähnenswert.

Dass jemand wie Andreas Lipp dieses im 6. Semester Bachelor geschafft hat, ist hingegen eine echte Sensation, besonders wenn man bedenkt, dass als Konkurrenz sehr erfahrene Klarinettisten mit von der Partie waren, die schon internationale Wettbewerbspreise vorzuweisen hatten. Trotzdem, bei allem „Weihrauch“, ist mir ein anderer Punkt viel, viel wichtiger.

Andreas Lipp ist vom ersten Tag an nicht nur ein Student mit wacher Auffassungsgabe und konsequenter Arbeitsweise gewesen, sondern suchte vor allen Dingen wirklich fast „fanatisch“ nach musikalischen Lösungen hinsichtlich der Gestaltung jedes, ich betone jedes einzelnen Tones, immer aber unter Berücksichtigung sowohl des harmonischen Verlaufs, welcher nur in der Partitur bzw. in der Klavierstimme zu finden ist, als auch der stilistischen Eigenart des jeweiligen Komponisten. Das „hörende“ Verstehen des „Ganzen“ steht für ihn immer an erster Stelle. Genau dieses vermisse ich heutzutage am allermeisten.

Es wird leider häufig nur um ein möglichst funktionales, wirkungsvolles, unangreifbares Spiel gerungen. Der wirklich tieferen Aussage der Musik nähert man sich aber nur durch das (zeitraubende) Verstehen und Erleben der harmonischen Spannungsverhältnisse, der musikalischen Struktur und der kompositorischen Eigenarten des jeweiligen Komponisten! Diese Suche nach einem tieferen Verständnis geschieht bei Andreas Lipp aber immer in sanguinischer Begeisterung, mit einer guten Portion Humor, ohne jegliche Verbissenheit. Ausdauernd am Klaviertext sitzend oder Live-Proben mit Partitur zuhörend ist er immer auf der Suche nach neuen Einsichten. Dies ist eben eine Arbeitsweise mit anderen Prioritäten, eine, die nicht durch übertriebene Übe-Marathons hauptsächlich Perfektion und Brillanz erreichen will (das, was unsere schnelllebige Zeit von uns ständig zu fordern scheint), sondern die zu tiefer persönlicher Verinnerlichung und Durchdrungenheit von Musik führt. Aus diesen Gründen halte ich Andreas Lipp für eine besondere und herausragende Persönlichkeit in unserer Hochschule, nicht wegen dem Gewinn des Wettbewerbs.